Der Besuch by Hila Blum

Der Besuch by Hila Blum

Autor:Hila Blum [Blum, Hila]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783827077578
Herausgeber: eBook Berlin Verlag
veröffentlicht: 2014-10-17T22:00:00+00:00


Wie lange nach Natis Besuch bei ihnen hat der Norden aufgehört? Vielleicht hat es noch einen Monat gedauert, vielleicht auch einen Monat und eine Woche. Aber so, wie die Sache begonnen hat, fand sie auch ein Ende. »Miep kommt nach Jerusalem zurück«, teilte Nati Nili mit. »Sie hat es mir heute Morgen gesagt.«

»Was heißt das?«, fragte Nili.

»Schluss mit dem Norden. Sie hat eine Wohnung in En Kerem gemietet. Sie meldet Dida dort in der Schule an.«

Aber so war es nicht. Letzten Endes hat Dida die neue Schule in der neuen Gegend gar nicht besucht. Zwei Wochen nach ihrer Rückkehr, drei Wochen vor Schuljahrsbeginn, teilte Miep mit, sie habe vor, tiefer und weiter zurückzugehen, sie kehre zu ihren Wurzeln zurück. Diesmal nach Holland.

Die Waschbärfreundinnen am Nachbartisch ziehen weiter, die Handys verschwinden in den Hosentaschen, die Lippen werden nachgezogen, die langen schwarzen Haare nach hinten geworfen. Dann stehen sie auf, gleichzeitig, verlassen im Gänsemarsch das Café und setzen, als sie auf die Straße treten, Sonnenbrillen auf.

Freundinnen, eine Clique, Herdenbewegung – wann hat sie das erlebt?

Als sie noch ein kleines Mädchen war, im ersten Haus, in dem sie gewohnt haben, hat es einen Freundeskreis gegeben: Nachbarinnen, Kinder der Nachbarinnen, Ehemänner. Erschöpfte Mütter, Geschichten über Kinder, Klagen über Ehemänner, Haustüren, Türenschlagen, Lärm. Danach hörte das vollkommen auf, sie fingen an umzuziehen: der zweiten Wohnung folgte die dritte, die vierte. Leben als Teil eines Gebäudes, einer Straße, eines Viertels – es war klar, dass diese Möglichkeit für ihr Leben nicht mehr bestand, vom Glauben an lebenslange Freundschaften hörte man nur gerüchteweise.

Eines der Mädchen kommt hereingerannt – hat sie etwas vergessen? Ja, einen lilafarbenen Schal, Seide, den sie mit wütendem Gesicht umlegt, als hätte er sie im Stich gelassen, und zusammen mit ihm verschwindet sie wieder auf der Straße.

Nili versucht, sich Dida in so einem Schal vorzustellen, auf diese Art geschminkt. Ausgeschlossen. Höchstens an Purim. Nur zögernd wächst sie aus dem Kind heraus, das sie war, aber in anderen Dingen ist sie schwungvoll, verschwindet wie ein Windstoß, ein Hauch in der Luft.

Die Kellnerin wirft Nili einen ungeduldigen Blick zu: Will sie noch etwas?

Hinter Nilis Rücken erklingt Babygeschrei. Sie dreht den Kopf. Ganz langsam wird dieses Weinen jetzt anschwellen, es wird mit dem Kind wachsen, und eigentlich ist es üblich, die Mutter anzulächeln, sie zu ermutigen – das ist in Ordnung, alle Kinder weinen –, es ist üblich, sein Mitleid zu zeigen, ihr nicht noch zusätzlich den eigenen Missmut aufzuhalsen, aber Nili lächelt nicht.

Die Mutter beugt sich über eine pralle, karierte Tasche, holt eine Blechschachtel heraus, eine Flasche, einen Messlöffel – ihre mobile Notküche. Ein magisches Pulver verwandelt das Wasser in Milch. Es folgt das Schütteln der Flasche, eine bis zur Lächerlichkeit grobe Bewegung, dann landet der Gummisauger im Mund. Außer dem Baby gibt es noch ein kleines Mädchen, verschnupft, etwa drei Jahre alt, sie verlangt ihren Anteil an Aufmerksamkeit. »Mama!«

Die junge Frau ist voller Geduld. Sie fordert die Kleine auf, zu zeigen, wie groß sie schon ist, wie sehr sie sich verändert hat, seit sie ein kleines Baby war, wie das, das jetzt in der Tragetasche liegt.



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